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"Nicht für alles und jeden haftbar"

Prüf- und Warnpflicht/Technischer Schulterschluss

a3BAU Ausgabe 1-2/2017: 

In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der OGH wieder einmal mit den Themen „Prüf- und Warnpflicht“ und „technischer Schulterschluss“ zu beschäftigen. Der OGH macht dabei instruktive Ausführungen zur Abgrenzung der beiden Themenbereiche. Die Entscheidung beweist außerdem, dass das Bauunternehmen entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht „für alles und jeden“ haftet.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 1-2/2017
Prüf- und Warnpflicht/Technischer Schulterschluss, "Nicht für alles und jeden haftbar" erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Im Rahmen der Sanierung ihres Einfamilienhauses im Jahre 2002 haben die Kläger mit der Errichtung einer Wärmeschutzfassade das beklagte Bauunternehmen und mit der Sanierung der Terrasse einen Fliesenleger beauftragt. Zum Zwecke der Abdichtung der Terrasse zum darunter liegenden Wohnraum verwendete der Fliesenleger eine Alternativabdichtung samt Gewebeband sowie eine am Terrassenrand angebrachte Stirnverblechung. Diese Form der Abdichtung entsprach schon im Jahre 2002 nicht den anerkannten Regeln der Technik. Nach Anbringung der Alternativabdichtung samt Gewebeband und Stirnverblechung durch den Fliesenleger begann das beklagte Bauunternehmen mit der Anbringung der Wärmedämmplatten im Anschluss an den unteren Aufbau der Terrasse. 


Das Bauunternehmen wurde von den Klägern nicht damit beauftragt, über seine gesetzliche Warnpflicht hinaus die Kontrolle der Vorarbeiten anderer Unternehmer zu übernehmen.  


Nach etwa zehn Jahren wurde die Alternativabdichtung undicht. Das Wasser konnte bis zur Bitumenabdeckung direkt oberhalb der Massivrohdecke durchdringen und bahnte sich von dort den Weg hinter den Wärmedämmplatten in die Wohnräume. Die Kläger begehrten vom beklagten Bauunternehmen die Zahlung der Kosten für die Behebung dieses Wasserschadens.

 

Kein Zweifel bestand daran, dass das beklagte Bauunternehmen seine eigene Werkleistung ordnungsgemäß erbracht hat. Im streitgegenständlichen Verfahren ging es ausschließlich um die Frage, ob das Bauunternehmen die Kläger davor warnen hätte müssen, dass die vom Fliesenleger erbrachte Leistung mangelhaft war. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung führte der OGH zunächst aus, dass sich die Prüf- und Warnpflicht des Werkunternehmers auch auf Vorarbeiten eines anderen Unternehmers und Vorarbeiten des Bestellers beziehe; dies allerdings nur dann, wenn das Gewerk des Werkunternehmers auf diesen Vorarbeiten aufbauen muss.

 

Genau diese Voraussetzung fehlte aber im gegenständlichen Fall. Die Arbeiten des Bauunternehmens bauten gerade nicht auf den Fliesenlegerarbeiten auf. Schon in dieser Hinsicht war somit eine Haftung des Werkunternehmers aus Verletzung seiner Prüf- und Warnpflicht nicht gegeben. Laut OGH komme sohin eine Haftung für den Wasserschaden nur dann in Betracht, wenn das Bauunternehmen eine besondere Kontrollpflicht in Bezug auf die wasserdichte Ausführung der Terrasse getroffen hätte.

 

Nach Ansicht des OGH bestand jedoch auch eine solche Kontrollpflicht nicht: Im vorliegenden Fall habe es sich bei den Werkleistungen des Fliesenlegers und des Bauunternehmens um zwei getrennte Gewerke gehandelt. Wärmedämmarbeiten stünden in keinem technischen Zusammenhang mit der vom Fliesenleger geschuldeten Terrassenabdichtung. Dieser hätte selbst dafür sorgen müssen, dass das Wasser oberflächlich abgeleitet wird und nicht bis zur Decke/zum Mauerwerk vordringen kann.

 

Demgegenüber hätten die Wärmedämmarbeiten des Bauunternehmens für die Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Wasserableitung keine Rolle gespielt. Die Wärmedämmarbeiten hätten sohin auch nicht zum Misslingen der Wasserableitung beigetragen. Bezogen auf die Terrassenabdichtung habe daher keine Kooperationsverpflichtung im Sinne eines „technischen Schulterschlusses“ und eine darauf gegründete Kontrollpflicht bestanden. Aus diesem Grund wurde das Klagebegehren der Auftraggeber gegen das Bauunternehmen zur Gänze abgewiesen. 

Was lehrt uns die gegenständliche Entscheidung?

 

Einerseits hat der OGH erneut klargestellt, dass sich die Prüf- und Warnpflicht nur auf Vorarbeiten eines anderen Unternehmers bezieht, auf denen der Werkunternehmer aufbauen muss. Andererseits kommt eine Haftung aus Verletzung des technischen Schulterschlusses nicht in Betracht, wenn die Arbeiten der diversen Werkunternehmer in keinem technischen Zusammenhang stehen. Mit anderen Worten: Damit eine Haftung aus Verletzung des technischen Schulterschlusses herangezogen werden kann, muss sich die Gefahr der Vereitelung des Erfolges verwirklichen, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmer bei Erstellung eines Werkes ergibt.