wen wann warnen ?
a3BAU Ausgabe 6/2011:
Im Baualltag kommt es immer wieder vor, dass sich Situationen ergeben, die eine Warnpflicht des Werkunternehmers gegenüber dem Bauherrn auslösen. In der Praxis herrscht große Verwirrung, ob es in derartigen Fällen ausreicht, den bauaufsichtsführenden Architekten oder einen anderen Bevollmächtigten des Bauherrn zu warnen oder ob die Warnung direkt an den Bauherrn gehen muss.
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Voran zu stellen ist zunächst die – klare – Gesetzeslage. Gemäß § 1168a ABGB ist Adressat der Warnung grundsätzlich der Werkbesteller selbst, also der Bauherr. Ob die Warnung des Werkunternehmers dennoch – also entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut – gegenüber einem vom Auftraggeber bestellten Bevollmächtigten abgegeben werden kann, hängt nach ständiger Rechtssprechung von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab; insbesondere von den Abreden zwischen den Beteiligten. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat zu der hier interessierenden Problematik in zwei rezenten Entscheidungen Stellung genommen:
Bei einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 hat ein Werkunternehmer im Auftrag des Bauherrn einen Balkon hergestellt. Der OGH hat ausgeführt, dass kein Zweifel daran bestehe, dass ein Bauunternehmer, der einen Balkon oder eine Terrasse herstellt, grundsätzlich vor dem Fehlen einer notwendigen Feuchtigkeitsisolierung zu warnen hat. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Bauunternehmer behauptet, eine detaillierte Warnung gegenüber dem Bauplaner abgegeben zu haben. Der OGH hat hiezu die Ansicht vertreten, dass im Zweifel nicht nur die vom Besteller verschiedene (dritte) Person zu warnen ist, wenn Reichweite und Inhalt der Befugnisse dieser Person, die dem Werkunternehmer gegenüber in Erscheinung tritt, unklar sind. Werde jedoch die Warnung gegenüber einem bauüberwachenden Architekten vorgenommen, so könne der Werkunternehmer meist auf eine zumindest schlüssige Bevollmächtigung des Architekten zur Empfangnahme von Warnungen vertrauen. In dem vom OGH zu beurteilenden Fall war die Rechtsstellung des Bauplaners unklar. Fest stand, dass der Bauplaner zur Unterfertigung einer Einreichplanung nicht berechtigt war; im übrigen war seine Berufs- und Gewerbeberechtigung zweifelhaft. Laut OGH spreche die Kenntnis des Werkunternehmers von der fehlenden Berechtigung des Planers, die von ihm erstellen Pläne zu unterzeichnen, in Verbindung mit der Kenntnis von der fehlenden Detailgenauigkeit dieser Pläne in Bezug auf den Balkonaufbau dafür, dass eine Warnung direkt an den Bauherrn abzugeben gewesen wäre. Andererseits, so der OGH, musste auch der Bauherr selbst Kenntnis von der mangelnden Qualifikation seines Bauplaners haben. Der Bauherr durfte daher seinen Bauplaner kaum für einen Architekten halten, wie er dies im Verfahren behauptet hatte. Habe sich der Bauherr aber eines erkennbar nicht qualifizierten Planers bedient, so wäre dies als Sorglosigkeit in eigener Angelegenheit zu werten und könnte zur Kürzung eines allfälligen Schadenersatzanspruches des Bauherrn führen. Der Bauherr habe auch nicht erwarten dürfen, dass der Planer über die Haftpflichtversicherung eines Architekten verfügte.
Da wesentliche Sachverhaltselemente von den Unterinstanzen nicht erhoben worden waren, verwies der OGH die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die Erstinstanz zurück. Eine definitive Entscheidung ließ er also offen.
Ansprechperson festlegen
In einer weiteren aktuellen Entscheidung aus dem Jahre 2010 hat der OGH sehr wohl eine definitive Entscheidung gefällt. In dieser Angelegenheit hatte der Bauherr einen Bodengutachter mit der Beurteilung der Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes beauftragt. Die Nebenintervenientin, die mit Projektierung, Planung und Bauaufsicht beauftragt war, hat auf Basis des Bodengutachtens eine Ausschreibung ausgearbeitet. Nach Angriff der Aushubarbeiten wies der Werkunternehmer den ihm als „Ansprechperson“ namhaft gemachten Mitarbeiter der Nebenintervenientin (Projektierung, Planung und Bauaufsicht) darauf hin, dass angesichts der Bodenverhältnisse die gewünschte Form der Versickerung der Oberflächenwässer so nicht funktioniere. Diese Warnung hat der Mitarbeiter der Nebenintervenientin nach Rücksprache mit dem Bodengutachter verworfen und die Durchführung des Werkes wie vorgesehen angeordnet.
Im vorliegenden Fall ist festgestellt worden, dass der Bauherr dem Werkunternehmer einen Mitarbeiter der Nebenintervenientin ausdrücklich als „Ansprechperson“ genannt hatte. Unter diesen Voraussetzungen würde es eine Überspannung der Warnpflicht bedeuten, würde man noch eine weitere direkte Warnung an den Bauherrn selbst fordern. Darf der Werkunternehmer unter den gegebenen Umständen annehmen, dass die genannte Ansprechperson auch zu dem Zweck bestellt wurde, Warnungen für den Bauherrn in Empfang zu nehmen, so stelle sich die Frage nach einer zusätzlichen Warnung des Bauherrn nicht.
Die Konsequenz aus den Entscheidungen:
Um jeglichen Zweifel auszuschließen, wäre es sinnvoll und zweckmäßig, im Vertrag zwischen Bauherrn und Werkunternehmer den Umfang der Bevollmächtigung des Bauherrnvertreters festzuschreiben. Wenn also im Bauvertrag vorgesehen ist, dass der Bauherrnvertreter „Ansprechperson“ des Werkunternehmers ist, so ist dem Werkunternehmer damit bereits geholfen. Ist allerdings eine derartige Absprache nicht erfolgt und der Umfang der Vertretungsbefugnis des Bauherrnvertreters zweifelhaft, so ist dem Werkunternehmer jedenfalls zu empfehlen, allfällige Warnungen – auch – an den Bauherrn selbst zu richten, in Zeiten von E-Mail-Kommunikation ja kein nennenswerter Zusatzaufwand.