a3BAU Ausgabe 9/2011:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer brandaktuellen Entscheidung dem Lieferanten mangelhafter Waren eine erhöhte Haftung zugeschrieben. Im folgenden die detaillierten Gründe für das Urteil und eine Antwort auf die Frage, inwieweit dieses Urteil auch für Bauunternehmen (Werkunternehmer) relevant ist.
Auf unserer Website möchten wir Ihnen den Text auch digital zugänglich machen. Für einen Download des Original-Dokumentes klicken Sie bitte auf den "Download-Button".
Bei dem vom EuGH kürzlich gefassten Urteil ging es hauptsächlich um die Frage, ob Händler im Falle eines Austauschanspruches des Käufers aus dem Titel der Gewährleistung zum Ausbau der mangelhaften und zum Einbau der mangelfreien Austauschssache verpflichtet sind; oder ob sie allenfalls die Kosten von Aus- und Einbau tragen müssen.
Nach der Rechtssprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs (OGH) besteht keine derartige Verpflichtung auf Basis des Gewährleistungsrechtes. Sollte allerdings den Verkäufer ein Verschulden an der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes treffen, dann wäre er sehr wohl – auch nach der geltenden Rechtslage – zum Aus- bzw. Einbau bzw. zur Tragung der Kosten von Aus- und Einbau verpflichtet.
In dem einen Fall, der dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, hat ein Händler mangelhafte Fliesen geliefert. Der Mangel war irreparabel, sodass nur ein Austausch der Fliesen (und keine Verbesserung) in Frage kam. Der Käufer klagte auf Lieferung mangelfreier Fliesen und zusätzlich auf Zahlung der Kosten für Ausbau und Entsorgung der mangelhaften und Einbau der neuen Fliesen. Kurz gefasst hat der EuGH ausgesprochen, dass der Verkäufer entweder selbst den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der Ersatzsache vorzunehmen oder die Kosten für Aus- und Einbau zu tragen hat.
Zur Begründung
Wenn, so der EuGH, der Verbraucher im Falle einer Ersatzlieferung für eine mangelhafte Sache vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass er auch den Aus- und Einbau oder die Kosten hiefür trägt, würde die Ersatzlieferung für den Verbraucher zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen. Der Verbraucher habe seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung erfüllt. In einem derartigen Fall, so der EuGH, sei es gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für Aus- und Einbau aufzuerlegen, auch wenn ihn kein Verschulden an der Schlechterfüllung trifft. Diese zusätzlichen Kosten hätten nämlich vermieden werden können, wenn der Verkäufer von vorneherein seinen vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen wäre.
Achtung: Die vom EuGH dem Verkäufer aufgebürdete Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Verkäufer nach dem ursprünglichen Kaufvertrag mit dem Kunden nicht zum Einbau/zur Montage des Kaufgegenstandes verpflichtet war.
Aber: Der Anspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten kann auf einen im Hinblick auf den Wert der mangelfreien Sache und der Bedeutung des Mangels angemessenen Betrag beschränkt werden. Diese Möglichkeit, so der EuGH, dürfe aber nicht zu einer Aushöhlung des Rechtes des Verbrauchers führen. Deshalb kommt in diesem Fall der EuGH dem Käufer noch einmal entgegen: Würde nämlich der Anspruch des Käufers auf einen angemessenen Betrag beschränkt werden, dann ist ihm die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung (Austausch) eine angemessene Kaufpreisminderung zu verlangen.
Das dargestellte Urteil des EuGH kann zu einer erheblichen Mehrkostenbelastung des Händlers führen, wenn dieser einen mangelhaften Kaufgegenstand liefert. Bis dato konnte sich der Händler nämlich von den Kosten für Aus- und Einbau befreien, in dem er bewies, dass ihn wegen des Mangels des Kaufgegenstandes kein Verschulden traf.
Nach ständiger Rechtssprechung ist nämlich der Händler nicht zu weitwendigen Untersuchungen des Kaufgegenstandes verpflichtet. In aller Regelung gelang es dem Händler bis dato, sein fehlendes Verschulden zu beweisen. In einem derartigen Fall blieb der Käufer häufig auf den Kosten für Aus- und Einbau „sitzen“. Das Argument mangelnden Verschuldens wird dem Händler nun nicht mehr offen stehen.
Werkverträge zwischen Unternehmen
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH zur Auslegung der Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie ergangen ist. Es betrifft sohin das Verhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie Grundlage für die generelle Neuordnung des Gewährleistungsrechtes waren. Zu dem wurden sie im ABGB einheitlich für alle Kauf- und insbesondere auch Werkverträge umgesetzt. Es ist fraglich, ob die österreichischen Gerichte vergleichbare Fälle im Verhältnis zwischen zwei Unternehmern anders beurteilen werden, das Gewährleistungsrecht also unterschiedlich auslegen, je nachdem, ob daran jeweils ein Verbraucher oder zwei Unternehmer beteiligt sind.
Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, dass das oben dargestellte EuGH-Urteil auch auf das Rechtsverhältnis zwischen zwei Unternehmern durchschlägt. Allerdings lassen sich im Rechtsverhältnis zwischen zwei Unternehmern die Rechtsfolgen durchaus vertraglich anders regeln. Wenn allerdings ein (Bau)Unternehmen auf Basis eines Bauwerkvertrages mit einem Verbraucher ein Gewerk mangelhaft herstellt, dann kommen die oben dargestellten Rechtsfolgen des EuGH-Urteils ohnehin zur Anwendung.