wer haftet, wenn was passiert ?
a3BAU Ausgabe7-8/2012:
In einer aktuellen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH) zu einer Klage eines Werkunternehmers gegen den Bauherrn Stellung genommen, mit der der Werkunternehmer Schadenersatzansprüche aufgrund eines von ihm erlitten Baustellenunfalls geltend gemacht hat. Die Entscheidung ist äußerst instruktiv und lohnt deshalb einer genaueren Betrachtung.
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Der beklagte Bauherr hat im gegenständlichen Fall den im Prozess beigetretenen Nebenintervenienten mit der Planungs- und Baustellenkoordination und der örtlichen Bauaufsicht beauftragt. Ein Drittunternehmen hat auf der Baustelle ein Gerüst aufgestellt. Der Kläger wurde vom Bauherrn mit der Herstellung, Lieferung und Montage der Fenster für das Einfamilienhaus des Beklagten beauftragt. Im Zuge der Abwicklung der Baustelle bestieg der Kläger das vom Drittunternehmen errichtete Gerüst, um dort Außenfensterbänke zu montieren. Als er sich mit einer Hand an einem Absperrelement anhalten wollte, schwankte dieses nach außen, worauf er in die Tiefe stürzte und sich schwer verletzte.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger vom beklagten Bauherrn u.a. die Zahlung von Schmerzensgeld und Verdienstentgang. Das Gerüst sei vorschriftswidrig aufgestellt und nicht entsprechend gesichert gewesen. Der Bauherr hätte das Gerüst auf Sicherheit und Gefahrlosigkeit prüfen müssen. Zu dem müsse er, der Bauherr, sich das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Der Bauherr wandte ein, dass er den Nebenintervenienten mit der Planung und Bauaufsicht sowie der Baustellenkoordination beauftragt habe. Damit habe er die ihn selbst treffenden Sorgfaltspflichten mit schuldbefreiender Wirkung an den Nebenintervenienten übertragen. Der Nebenintervenient brachte vor, dass vertraglich nicht vorgesehen gewesen sei, dass der Kläger eine bestehende Gerüstung verwende oder dass gar eine solche zum Einbau der Fenster aufgestellt werden hätte müssen.
In seiner Entscheidung vom 22.2.2012 knüpfte der OGH zunächst an den zwischen Kläger und Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag an. Demnach habe es nicht zu den vereinbarten Aufgaben des Bauherrn gehört, dem Kläger ein Gerüst zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist im Verfahren vor den Unterinstanzen hervorgekommen, dass der Beklagte gar nicht wusste, dass der Kläger, der seine Arbeit zunächst ohne Benützung des Gerüstes aus dem Inneren des Hauses durchgeführt hatte, das Gerüst überhaupt benützen werde. Aus diesem Grund habe der Beklagte das vom Drittunternehmen errichtete Gerüst dem Kläger auch nicht zur Verfügung gestellt. Da er, der Bauherr, sohin vertraglich nicht verpflichtet war, dem Kläger ein Gerüst zur Verfügung zu stellen, sei das Drittunternehmen, das das Gerüst für eigene Zwecke errichtet hatte, auch nicht als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn tätig geworden. Aus diesem Grund, so der OGH, könne das Gerüst, wenn überhaupt, nur sehr beschränkt der Sphäre des Bauherrn zugerechnet werden.
Weiters folgerte der OGH, dass ein allfälliger Mangel des Gerüstes für den sachkundigen Kläger (Fensterbauer) weit eher erkennbar gewesen sei, als für den nicht sachkundigen Werkbesteller (Bauherr). Sei, so der OGH, ein Mangel des Gerüstes für den vor Ort befindlichen Werkunternehmer nicht erkennbar gewesen, dann würde der Vorwurf an den nicht sachkundigen Bauherrn, er habe den Mangel nicht erkannt, eine unzumutbare Überspannung der Sorgfaltspflicht des Werkbestellers darstellen.
Sei aber der vom Kläger behauptete Mangel für den Kläger erkennbar gewesen, dann wäre es an ihm, dem Kläger, gelegen, das Gerüst nicht zu benützen und den Besteller zu den nötigen Maßnahmen zu veranlassen.
Auch aus der Übertragung der Bauaufsicht an den Nebenintervenienten zog der OGH keine für den Bauherrn negativen Schlüsse. Der OGH verwies auf seine ständige Rechtssprechung, wonach die Bauaufsicht ausschließlich im Interesse des Bauherrn erfolge und nicht in jenem des Werkunternehmers. Aufgabe der Bauaufsicht sei im wesentlichen die Überprüfung der Leistungen der Bauunternehmen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit. Die Beauftragung der Bauaufsicht führe zu keiner Ausweitung der Fürsorgepflicht des Werkbestellers; sie könne nicht dazu führen, dass den Werkbesteller Pflichten treffen, die ihn sonst nicht getroffen hätten.
Schließlich hat der OGH betont, dass sich der Werkunternehmer, der aufgrund seiner Erfahrung die Gefährlichkeit der ihm zur Verfügung stehenden Arbeitsstätte kennen muss, von Sicherheitsvorkehrungen zu überzeugen und den Besteller zu den nötigen Maßnahmen zu veranlassen habe.