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Haftung der Bauaufsicht

regress doch möglich

 

a3BAU Ausgabe 10/2012: 

Der OGH hat in einer bahnbrechenden Entscheidung zur Haftung der Bauaufsicht Stellung genommen. Mit der Entscheidung wurde der weit verbreiteten Meinung, die Bauaufsicht sei für eigene Fehler niemals gegenüber dem (Bau)Unternehmen ersatzpflichtig, ein Ende gesetzt.

 

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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 10/2012
Haftung der Bauaufsicht - Regress doch möglich erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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BAU_106_110.p3.pdf
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Der Oberste Gerichtshof (OGH) judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass die Bauaufsicht des Architekten lediglich zugunsten des Bauherrn ausgeübt wird. Hat der Bauherr den AN aufgrund von Ausführungsfehlern in Anspruch genommen, so war es weit verbreitete Ansicht, dass der AN, der gegenüber dem AG (Bauherrn) ersatzpflichtig geworden ist, bei der Bauaufsicht nicht Regress nehmen könne. Aufgrund der nunmehr ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung ist dieser weit verbreiteten Ansicht der Boden entzogen.

 

Kurz zum Sachverhalt, der der aktuellen Entscheidung des OGH zugrunde lag: Der beklagte Ingenieurkonsulent für Bauwesen und Geotechnik hatte sich gegenüber dem Bauherrn vertraglich zur Planung, Ausschreibung und örtlichen Überwachung einer Pfahlgründung verpflichtet. Unstrittig war, dass das Bohrunternehmen, das die Pfahlgründung ausgeführt hat, mangelhaft gearbeitet hat. Aus diesem Grund regulierte die Versicherung des Bohrunternehmens (klagende Partei) den Schadensfall; sie begehrte vom beklagten Ingenieurkonsulent in weiterer Folge im Regressweg 85 Prozent des an den Bauherrn geleisteten Schadenersatzes.

 

Die Unterinstanzen gaben der Klage nicht Folge; dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Verursachungs- und Verschuldensanteil des Bohrunternehmens an der Herbeiführung des Schadens, der primär und hauptsächlich auf der Nichteinhaltung des Rammkriteriums beruht habe, bei weitem überwiege. Es bestehe sohin kein Anlass, im internen Verhältnis auch den beklagten Ingenieurkonsulent zur Schadenstragung heranzuziehen. 

 

Mangelhafte Protokolle

Der OGH gab der Revision der klagenden Versicherung teilweise folge. Er führte aus, dass die vom Bohrunternehmen erstellten Bohrprotokolle äußerst mangelhaft gewesen seien, da die wesentlichen Angaben zur Beurteilung von tragfähigen Pfählen fehlten. Die in den Bohrprotokollen eingetragenen Daten hätten nicht ausgereicht um zu beurteilen, ob die Pfähle dem Stand der Technik entsprechend ausgeführt worden waren. Zur technischen Überwachung gehöre in diesem Fall auch, dass das Bohrunternehmen zur Erstellung von normgemäßen Bohrprotokollen und zur Aufzeichnung des Rammfortschritts aufgefordert worden wäre. Der vom beklagten Ingenieurkonsulenten erfolgte wöchentliche Baustellenbesuch habe keine effektive Kontrolle dargestellt. Sowohl das Bohrunternehmen als auch der beklagte Ingenieurkonsulent seien als Sachverständige im Sinn des § 1299 ABGB zu qualifizieren. Es sei am Beklagten gelegen, das Bohrunternehmen zur Erstellung von normgemäßen Bohrprotokollen und zur Aufzeichnung des Rammfortschritts zu verhalten. Es könne vom beklagten Ingenieurkonsulenten zwar keine Überwachung der Pfahlarbeiten in Form einer durchgehenden kontrollierenden Anwesenheit auf der Baustelle verlangt werden; allerdings hätten die hier schadensursächlichen Pfahlarbeiten für das Schwimmbad eine erhöhte Aufmerksamkeit durch die örtliche Bauaufsicht erfordert, weil der Bauplatz nahe an einem See lag und eine Hangneigung aufwies. Aus diesem Grund, so der OGH, sei der Beklagte im Rahmen seiner Überwachungspflicht gehalten gewesen, die fachgemäße Durchführung der Pfahlgründung vor Ort zu kontrollieren. Da der Beklagte an diesen Tagen nicht auf der Baustelle anwesend gewesen sei und somit keinerlei Kontrolle durchgeführt habe, habe er die Ausführungsfehler des Bohrunternehmens mit zu vertreten. 

 

Was die Möglichkeit des Regresses des Bohrunternehmens (bzw. der Haftpflichtversicherung desselben) gegen die Bauaufsicht anbelangt, so fand der OGH deutliche Worte. Die Rechtsprechung, wonach sich das ausführende Unternehmen nicht zu seiner Entlastung auf Fehler der vom Bauherrn beauftragten Bauaufsicht berufen könne, sei nicht auf Regressfälle unter mehreren Schädigern anwendbar, sondern betreffe nur das Verhältnis zwischen Bauherrn und Werkunternehmer. Der interne Ausgleich unter mehreren Solidarschuldnern (Schädigern) richte sich nach den jeweiligen Verursachungs-, Rechtswidrigkeits- und Schuldanteilen jedes einzelnen Mitschuldners am Entstehen der Gesamtschuld. Unter diesen Voraussetzungen könne nicht von einem vernachlässigbaren Verschuldesanteil der Bauaufsicht ausgegangen werden. Der Verschuldensanteil wurde schließlich vom OGH mit einem Viertel bewertet. 

 

Die Konsequenzen

Einerseits ist den Ausführungen des OGH zu entnehmen, dass die Bauaufsicht bei neuralgischen Punkten eines Gewerkes mit besonderer Vorsicht vorzugehen und – soweit zumutbar – auf der Baustelle anwesend zu sein hat!

Andererseits hat der OGH mit dieser Entscheidung dem ausführenden Unternehmen, das vom Bauherrn in Anspruch genommen wurde, die Möglichkeit eröffnet, sich bei der örtlichen Bauaufsicht zu regressieren. Ist ein (Mit-)Verschulden der Bauaufsicht naheliegend, so wird das Bauunternehmen im Prozess gegen den Bauherrn der Bauaufsicht vorsorglich den Streit zu verkünden haben, um den Regress abzusichern.