warnen oder haften
a3BAU Ausgabe 11-12/2012:
In der bauwirtschaftlichen Praxis herrscht nach wie vor große Unsicherheit darüber, wer das Baugrundrisiko zu tragen hat. Diese Unsicherheit ist verständlich, gibt es doch in der rechtswissenschaftlichen Lehre deutliche Meinungsverschiedenheiten.
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Unter Baugrundrisiko versteht man die Gefahr, dass es zu unerwarteten und im Voraus nicht erkannten Mehrkosten aus Gründen kommt, die ihre Ursache im Grund und Boden haben. Soviel beim Baugrundrisiko auch strittig und unklar ist, eines ist klar:
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung trifft grundsätzlich den Auftraggeber die Verantwortlichkeit für die Beschaffenheit des Baugrundes und die damit verbundenen Risken (Mehrkosten).
Warum das so ist, ist einfach erklärt: Der Baugrund wird als „Stoff“ im Sinne des § 1168a ABGB eingestuft. § 1168a ABGB sieht vor, dass die Untauglichkeit des beigestellten Stoffes in die Verantwortungssphäre des Auftraggebers fällt.
Kein Grundsatz ohne Ausnahme: Wenn die Untauglichkeit des Stoffes, also des Baugrundes, „offenbar“ ist, dann löst sie die Warnpflicht des Auftragnehmers aus. Ganz generell trifft den Auftragnehmer im Rahmen der Prüf- und Warnpflicht stets die Verpflichtung, den vom Auftraggeber beigestellten Stoff zu untersuchen. Diese Untersuchungs- und die daraus resultierende Warnpflicht sind jedoch nicht grenzenlos. Warnen muss der Auftragnehmer nur, wenn die Untauglichkeit des Stoffes eben „offenbar“ ist, also für ihn erkennbar ist, dass das Werk – möglicherweise – misslingen wird.
Die herrschende Auffassung leitet die Haftung des Auftraggebers aus dem Baugrundrisiko auch aus seiner Verpflichtung ab, den Baugrund zu erkunden und seinem Vertragspartner dessen Eigenschaften mitzuteilen. Der Auftraggeber müsse alles zumutbare unternehmen, um die Bodenverhältnisse festzustellen und die Ergebnisse seinem Vertragspartner mitzuteilen. Auch die Planungsverantwortlichkeit des Auftraggebers wird immer wieder bemüht, um daraus die Verpflichtung des Bauherrn zur Untersuchung des Baugrundes abzuleiten. In diesem Zusammenhang wird auch die Verpflichtung des Auftraggebers abgeleitet, jenes Wissen dem Auftragnehmer zur Verfügung zu stellen, das aus bereits in Auftrag gegebenen Gutachten zum Baugrund generiert wurde.
Völlig unstrittig ist, dass die Parteien des Bauwerkvertrages – sowie jedes Vertragsrisiko – auch das Baugrundrisiko vertraglich regeln können. Es ist demnach möglich und zulässig, das Baugrundrisiko auf den Auftragnehmer vertraglich zu überwälzen. Allerdings verlangt die Rechtsprechung für die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer derartigen Überwälzung, dass diese mit hinreichender Deutlichkeit, individuell konkret und widerspruchsfrei erfolge.
Der Auftragnehmer ist aber nicht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung verpflichtet, den Baugrund anstelle des Bauherrn zu untersuchen, sondern auch dann, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer Untersuchungen des Baugrundes anheim stellt. In diesem Fall ist anzunehmen, dass der Auftraggeber damit zum Ausdruck bringt, dass er selbst über keine hinreichenden Informationen zum Baugrund verfügt. Wenn der Auftragnehmer in einem derartigen Fall keine Untersuchung der Bodenverhältnisse vornimmt, geht das durch die nicht ausreichende Information resultierende Risiko zu seinen Lasten.
Wenn der Auftragnehmer mit der Untersuchung des Baugrundes beauftragt wurde (ausdrücklich oder stillschweigend), dann haftet er dem Auftraggeber für Schäden aus der sorgfaltwidrigen Untersuchung des Baugrundes.
Fraglich ist, ob der Auftragnehmer mit der Verpflichtung, den Baugrund zu untersuchen, auch das Baugrundrisiko übernommen hat. Diese Frage ist wohl zu verneinen: Wenn er nämlich die Untersuchung des Baugrundes sorgfältig vorgenommen bzw. veranlasst (durch Gutachten) hat, und stellen sich die Baugrundverhältnisse in der Folge dennoch abweichend dar, dann trägt dieses Risiko dennoch der Auftraggeber.