nicht "aus dem schneider"
a3BAU Ausgabe 3-4/2013:
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Bauträger bei einem Einfamilienhaus, das in gekuppelter Bauweise errichtet wurde, den erforderlichen Schallschutz erreicht hat und ob der klagende Bauherr seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hatte.
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Die Kläger haben vom beklagten Bauträger ein Einfamilienhaus, das in gekuppelter Bauweise zu errichten war, samt Grund erworben. Der Beklagte hatte zum Nachbarobjekt hin Roststeine durchgemauert. Es entspricht dem Stand der Technik, dass bei gekuppelter Bauweise die aneinandergrenzenden Außenwände schalltechnisch entkoppelt werden und keine mechanischen Kontakte (Schallbrücken) aufweisen. Im Falle einer schalltechnischen Entkoppelung wird ein Mindestschallschutz von 60 dB erreicht. Im gegenständlichen Fall ist dieser Schallschutz durch die mechanische Verbindung nicht erreicht worden.
Die Übergabe des Gebäudes durch den Beklagten an die Kläger erfolgte im Juli 2008. Die Klage wurde am 15.11.2011, also mehr als drei Jahre nach Übergabe des Objektes, eingebracht. Mit der Klage begehrten die Kläger den Zuspruch der Kosten zur Behebung des unzureichenden Schallschutzes in Höhe von 34.560 Euro.
Das Erstgericht und das Berufungsgericht haben den Klägern diese Kosten zugesprochen. In seiner außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof wendete der Beklagte Verjährung der Ansprüche ein; zudem wendete er sich gegen den Zuspruch der Mängelbehebungskosten für den Schallschutz; dies mit der Begründung, dass der gesetzliche Schallschutzwert von 42 dB für Außenwände erreicht worden sei und sohin kein Baumangel vorliege.
Was den Verjährungseinwand des Bauträgers anbelangt, so ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Verjährung von Schadenersatzansprüchen mit Kenntnis von Schaden und Schädiger einsetzt; der Oberste Gerichtshof betont allerdings in ständiger Rechtsprechung, dass den Geschädigten eine Erkundigungsobliegenheit trifft. Der Geschädigte muss also Erkundigungen über die Person des Schädigers und den ihm entstandenen Schaden einholen.
Erkundigungspflichten dürfen nicht überspannt werden
In seiner Entscheidung betonte der OGH unter Verweis auf frühere Rechtsprechung, dass die Erkundigungsobliegenheiten des Geschädigten nicht überspannt werden dürften. Aus diesem Grund werde nach herrschender Ansicht eine Verpflichtung des Geschädigten zur Einholung eines Privatgutachtens (zum Zweck der Erkundung von Schaden und Person des Schädigers) im Allgemeinen verneint. Eine derartige Verpflichtung zur Einholung eines Privatgutachtens bestehe nur in Ausnahmefällen. Wenn der Geschädigte Laie sei und die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraussetze, dann beginne die Verjährungsfrist regelmäßig erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt habe.
Aufbauend auf diesen Grundsätzen seien die Ansprüche der Kläger im gegenständlichen Fall nicht verjährt. Die Verjährungsfrist habe erst mit Vorlage des Privatgutachtens zu laufen begonnen. Diese Entscheidung des OGH widerlegt eindrucksvoll den in der Bauwirtschaft immer wieder anzutreffenden Irrglauben, dass das Bauunternehmen nach Ablauf von drei Jahren ab Übernahme „aus dem Schneider“ sei.
Nicht Stand der Technik
Was den Schallschutz anbelangt, so waren bereits die Unterinstanzen zum Ergebnis gekommen, dass eine Detailvereinbarung (im Bauvertrag) über das Ausmaß und die Ausgestaltung der Luftschallschutzdämmung nicht getroffen worden war. Aus diesem Grund, so der OGH, sei das Werk betreffend Luftschallschutzdämmung so auszuführen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die geschuldete Schallschutzdämmung sei daher an Hand der für das entsprechende Gewerk (allgemein) anerkannten Regeln der Technik zu ermitteln. Es entspreche, so der OGH, dem Stand der Technik, bei gekuppelter Bauweise die beiden einander angrenzenden Außenwände schalltechnisch zu entkoppeln und mechanische Kontakte auszuschließen. Bei einer derartigen Bauweise werde ein Mindestluftschallschutz von 60 dB erreicht. Nach der Verkehrsauffassung hätten die Kläger daher annehmen dürfen, dass dieser Wert erreicht werde, weshalb er auch als vereinbart gelte. Da sohin das Gewerk des Beklagten nicht dem Stand der Technik entsprochen habe, komme den Klägern der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Kosten zu Behebung des Luftschallschutzes auch zu.
Der Entscheidung des OGH ist grundsätzlich zuzustimmen, wenngleich sich der OGH leider einer unklaren Terminologie bedient (dies im Gegensatz zu früheren Judikaten). Bei der Beurteilung, ob ein Gewerk mangelhaft ist, kommt es darauf an, ob dieses Gewerk denn allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Der Stand der Technik ist ein höherwertiger technischer Standard, der mangels besonderer Abrede grundsätzlich nicht geschuldet ist. Schade, dass der OGH in seiner Rechtsprechung keine exakte Terminologie „durchzieht“.
Was den Einwand des Beklagten betrifft, er habe ohnehin den gesetzlichen Schallschutzwert von 42 dB eingehalten, so wären hiezu einige klärende Worte des OGH angebracht gewesen. Natürlich ist der Einwand des Beklagten nicht berechtigt, weil die Einhaltung der gesetzlichen Schallschutzwerte bloß eine Mindestvoraussetzung für ein mangelhaftes Gewerk darstellt. Die Einhaltung dieser Mindestvoraussetzung sagt jedoch nichts darüber aus, ob das Gewerk deshalb mangelfrei ist. Die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Normen ist nur eine Voraussetzung für das Vorliegen eines mangelfreien Gewerkes. Eine ganz wesentliche weitere Voraussetzung liegt darin, dass der Werkunternehmer die allgemein anerkannten Regeln der Technik einhält. Dies war im gegenständlichen Fall nicht geschehen, sodass die Kläger mit ihrem Anspruch auf Ersatz der Sanierungskosten zu Recht obsiegten.