kosten trägt der werkunternehmer
a3BAU Ausgabe 5/2013:
In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage zu beschäftigen, ob dem Werkbesteller die Kosten einer kompletten Neuverfliesung zustehen, obwohl der Werkunternehmer Teilflächen mangelfrei hergestellt hat.
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Der beklagte Fliesenunternehmer hatte bereits im Jahr 1996 in 18 Wohnungen, die der Kläger gewerblich vermietete, Fliesen verlegt.
Die Fliesenverlegearbeiten des Beklagten waren großteils mangelhaft.
Nur einige Wände waren ordnungsgemäß verfliest worden. Die Unterinstanzen haben festgestellt, dass die Verlegefehler mit größter Wahrscheinlichkeit bereits bei geringster Belastung oder Erschütterung die Ablösung und das Herabfallen weiterer Fliesen zur Folge haben würden. Bei Entnahme einzelner Fliesen werde sich die Erstverfliesung großflächig von der Wand lösen und herabfallen. Herabgefallene Fliesen wurden vom beklagten Fliesenunternehmer zwar saniert, die Sanierung erfolgte jedoch erneut nur zum Teil mangelfrei.
Der gewerbliche Vermieter hatte den Fliesenleger (Werkunternehmer) auf Ersatz der Verbesserungskosten der gesamten Wandverfliesungen aus dem Titel des Schadenersatzes geklagt. Die Unterinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben; dies ua mit der Begründung, dass bei Arbeiten an der Erstverfliesung mit einer teilweisen Beschädigung und Ablösung der Zweitverfliesung zu rechnen sei. Darüber hinaus sei es auch nicht möglich, die mangelhaften Wandfliesen an den schadhaften Stellen mit gleichen oder gleichwertigen Materialen in der Art und Weise der ursprünglichen Ausführung so auszubessern, dass ein einheitliches Bild erzielt werde. Eine technisch und optisch ordnungsgemäße Sanierung könne nur durch gänzliche Neuherstellung erreicht werden. Die Nutzungsdauer von Wandfliesen betrage zwar 30 Jahre, die technische Haltbarkeit bei fachgerechter Verlegung jedoch deutlich mehr als 30 Jahre.
Der beklagte Fliesenleger brachte in der Revision an den OGH in erster Linie vor, dass der Kläger als gewerblicher Vermieter und als wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch niemals den Aufwand einer gänzlichen Neuherstellung tätigen würde, wenn er den Schaden selbst zu tragen hätte. Er, der Vermieter, würde nur bei Bedarf eine Teilsanierung vornehmen und optische Mängel in Kauf nehmen. Darüber hinaus käme dem Kläger, der ja das Gewerk bereits bis zur Verbesserung genutzt habe, ein unverhältnismäßiger Vorteil zu; die alten Fliesen hätten ja bereits die Hälfte ihrer Lebensdauer überschritten.
Die Entscheidung des OGH
Der OGH hat die Revision des beklagten Fliesenlegers nicht einmal zugelassen. Laut OGH übersah der Beklagte den von den Vorinstanzen festgestellten Zustand der Wandverfliesung, der die Gefahr großflächiger Ablösungen in sich birgt, die auch eine gewisse Verletzungsgefahr von Personen mit sich bringe. Zum anderen, so der OGH, sei der Vermieter gemäß § 1096 ABGB auch zur Erhaltung der Bestandobjekte verpflichtet. Diese Verpflichtung nötige den Kläger wiederum zur Beseitigung des gefährlichen Zustandes. Deshalb habe in die rechtliche Beurteilung auch die für den geschädigten Auftraggeber bestehende Rechtslage und daraus ableitbare Ansprüche Dritter einzufließen. Zu bedenken sei schließlich, dass sich die Mängel auf beinahe alle Wandverfliesungen erstrecken würden und im Zuge der notwendigen Beseitigung der mangelhaften Erstverfliesung auch die Beschädigung und Ablösung der Zweitverfliesung zu erwarten sei. Der OGH nahm auch zum Argument der Überschreitung der Hälfte der Lebensdauer der Fliesen Stellung. Laut OGH sei nicht die Nutzungsdauer von 30 Jahren einschlägig, sondern vielmehr die technische Haltbarkeit, die weit höher sei. Gerade die gewerbliche Nutzung durch den Kläger lege es nahe, dass der Kläger eine an der technischen Haltbarkeit orientierte Nutzungsdauer der Verfliesung geplant habe. Schließlich sei der Kläger bald nach Übergabe des Gewerkes mit Mängeln und Verbesserungsarbeiten konfrontiert worden, sodass quasi von Anfang an keine ungestörte Nutzung gegeben gewesen sei.
Im Hinblick auf die technischen Feststellungen der Vorinstanzen ist die vom Beklagten eingebrachte Revision unverständlich. Unter Zugrundelegung der Feststellungen der Unterinstanzen, dass nur einige Wände ordnungsgemäß verfliest worden seien und Gefahr des Herabfallens von Fliesen bei geringster Belastung oder Erschüttung drohe, ist der Anspruch des Klägers auf eine gänzliche Neuverfliesung jedenfalls zu bejahen und dem OGH uneingeschränkt zuzustimmen. Den optischen Aspekt, wonach im Falle einer teilweisen Sanierung kein einheitliches Erscheinungsbild erzielt werden könne, hat der OGH nicht einmal ins Treffen geführt. Verwiesen wird auf frühere Rechtssprechung des OGH zum optischen Mangel. Bereits im Jahre 1999 hat der OGH ausgesprochen, dass auch der Ästhetik eine gewisse Werkfunktion zukomme, wenn sich jemand mit Rücksicht auf die optische Qualität ein besonders kostspieliges Werk errichten lasse. In einem solchen Fall sei es, so der OGH, unbillig, den Werkbestellter eines solchen Werkes, das einen störenden optischen Eindruck aufweist, darauf zu verweisen, dass die Funktionalität ohnehin gewahrt sei. Insofern seien auch bloße Schönheitsfehler beachtlich.
Die in der Praxis weit verbreitete Meinung, dass bloße optische Mängel unbeachtlich seien, ist also nicht richtig.
Wenn immer also ein (Bau) Unternehmer ein Architektenhaus errichtet, muss es damit rechnen, auch für bloße Schönheitsfehler einzustehen zu müssen; und zwar auch dann, wenn deren Behebung – scheinbar – unverhältnismäßig teuer ist.