mitverschulden wird eingeschränkt
a3BAU Ausgabe 10/2013:
In Bauprozessen wird im Falle mangelhafter Werkherstellung vom Auftragnehmer häufig das Argument vorgebracht, dass den Auftraggeber Mitverschulden treffe. Auf diese Art und Weise wird versucht, dem Auftraggeber einen Teil des Schadens, der aus der mangelhaften Werkherstellung resultiert, aufzubürden. Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) befasst sich im Detail mit diesem häufig vorgebrachten Mitverschuldenseinwand. Die Rechtssprechung des OGH geht in eine wenig auftragnehmerfreundliche Richtung.
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In dem vom OGH entschiedenen Fall ging es um das Gewerk „Spezialgründung“. Auftraggeber dieses Gewerkes war eine ARGE. Aufgrund der vorherrschenden Bodenverhältnisse wurde auftraggeberseitig das Erfordernis einer Pfahlgründung als notwendig erachtet. In der von der ARGE veranlassten Ausschreibung waren die Art der Gründung, die Pfahllänge und der Pfahltyp mit Vibrationspfählen festgelegt. Aufgrund der Vorgaben in der Ausschreibung hatte ein Ziviltechniker einen Pfahlplan erstellt, nachdem insgesamt 282 Pfähle eingebracht werden sollten, wobei diese Pfähle entlang eines bestehenden Hochregallagers in einem Abstand von nur einem Meter mit einem Pfahlabstand von 1,2 Meter zueinander eingerammt werden sollten.
In weiterer Folge hat das beklagte Spezialunternehmen für Tiefbau nach vorherigen Rammsondierungen die vorgegebenen Pfähle entsprechend dem Pfahlplan und den Vorgaben des Geotechnikers bzw. des Leistungsverzeichnisses eingebracht. Dabei wurde nicht auf wesentliche Erschütterungen beim Hochregallager durch Setzungsmessungen und Erschütterungsmessungen reagiert.
Bereits während der Arbeiten war eine Erschütterungsbelastung am Nachbargebäude bekannt.
Unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten wurden aufgrund von Messungen die Setzungen am benachbarten Hochregallager bestätigt. Grund für die Setzungen war die Anbringung einer Vielzahl von Pfählen in zu engem Abstand zum Hochregallager; dadurch kam es zur Verdichtung der locker bis mitteldicht gelagerten Sand- und Kiesschichten, sowie zu einem Nachsacken des Bodens unterhalb des Hochregallagers und somit zu den Setzungen.
In seiner höchstgerichtlichen Entscheidung beschäftigte sich der OGH zunächst ausführlich mit der Frage, ob die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Ausschreibung rechtlich als „Anweisung“ zu qualifizieren sei. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer nicht nur das Leistungsziel vorgab, sondern dem Auftragnehmer in Form der detaillierten Ausschreibung auch die Art der Herstellung verbindlich vorgab.
Untauglichkeit erkennbar
Aus diesem Grund liege, so der OGH, eine Anweisung vor, mit der der Auftraggeber die Festlegung des Herstellungsprozesses zu seiner Sache machte und damit eine Tätigkeit übernahm, die üblicherweise dem Auftragnehmer zukommt. In seiner rechtlichen Begründung arbeitete der OGH im Detail heraus, dass für den Auftragnehmer diese Anweisung des Auftraggebers offenbar unwichtig war, da er (der Auftragnehmer) wissen musste, dass es durch das Einvibrieren der Pfähle zu einer Untergrundverdichtung kommen werde. Der Auftragnehmer hätte sohin erkennen müssen, dass wegen des geringen Abstandes der einzubringenden Pfähle zum Hochregallager und der vorgegebenen dichten Anordnung von Pfählen mit großem Rammquerschnitt die Gefahr von Setzungen im Bereich des Hochregallagers bestand. Aus diesem Grund sei für den Auftragnehmer die Untauglichkeit der ihm erteilten Ausführungsanweisungen offenbar gewesen. Erwartungsgemäß hatte der Auftragnehmer im Prozess gegen den Auftraggeber bzw. dessen Versicherer wegen dessen Vorgaben in der Ausschreibung einen Mitverschuldenseinwand erhoben. Mit diesem Mitverschuldenseinwand beschäftigte sich der OGH im Detail:
Zusammenfassend kann vorweg genommen werden, dass der OGH dem Mitverschuldenseinwand Folge gab. Er kam zum Ergebnis, dass dem Auftraggeber durch die in eine Anweisung gekleidete Methoden und Ausführungswahl, die durch die Mitwirkung von Sachverständigen überdies den Anschein der Richtigkeit erweckte, ein Mitverschulden zuzumessen sei. Den Mitverschuldensanteil quantifizierte der OGH im Verhältnis zur Warnpflichtverletzung durch das Spezialtiefbauunternehmen mit 2:1 zum Nachteil der beklagten Partei. Was das Mitverschulden des Auftraggebers anbelangte, so setzte der OGH in der gegenständlichen Entscheidung eine bereits in jüngerer Rechtssprechung eingeschlagene Tendenz weiter fort: Während nämlich dem Auftraggeber fehlerhafte Pläne und Gutachten, die er bereit gestellt hatte, jetzt als Mitverschulden zur Last gelegt worden waren, wurde vom OGH in jüngerer Rechtsprechung dieses Mitverschulden dahin eingeschränkt, dass sich der Auftraggeber nicht jedes mitwirkende Verschulden eines von ihm beigezogenen Sachverständigengehilfen anrechnen muss. Vielmehr kommt – nach neuerer Rechtssprechung – ein Mitverschulden des Auftraggebers für fehlerhafte Pläne, Gutachten… etc. nur mehr dann in Betracht, wenn der AG Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Auftraggeber selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat. Wenn den Auftraggeber selbstqualifizierte vertragliche Mitwirkungspflichten treffen, so muss er sich auch Fehler jener fachkundiger Vorunternehmer anrechnen lassen, die ihm einen untauglichen Stoff oder unrichtige Pläne und Gutachten geliefert haben.
Daraus folgt der Umkehrschluss, dass der Mitverschuldenseinwand des Auftragnehmers immer dann scheitern muss, wenn der Auftraggeber zwar untaugliche Pläne, Gutachten… etc. beistellt, diese Beistellung aber nicht in der Mitwirkungspflicht des Auftraggebers entspringt.