Ein echter stolperstein
a3BAU Ausgabe 10/2013:
Das vom Bauunternehmen auf Basis eines Leistungsverzeichnisses erstellte Angebot gilt rechtlich als Kostenvoranschlag. Das Gesetz knüpft an die beträchtliche Überschreitung eines Kostenvoranschlages einschneidende Konsequenzen. Will das Bauunternehmen sein Geld nach Fertigstellung der Leistung bekommen, ist es gut beraten, eine voraussichtliche Kostenüberschreitung unverzüglich anzuzeigen.
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Jeder kennt das Szenario aus der täglichen Baupraxis. Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird auf Basis eines vom Auftragnehmer ausgepreisten Leistungsverzeichnisses ein Einheitspreisvertrag abgeschlossen. Dessen Wesen besteht bekanntlich darin, dass nach Fertigstellung der Bauleistung die Abrechnung durch Multiplikation der tatsächlich erbrachten Mengen mit den im Vertrag vereinbarten Einheitspreisen erfolgt. Wenn der Abrechnungspreis mit dem vertraglich vereinbarten Preis (dieser stellt beim Einheitspreisvertrag üblicherweise lediglich einen „vorläufigen Preis“ dar) nicht übereinstimmt, dann kommt eine derartige Kostenüberschreitung in aller Regel nicht aus dem heiteren Himmel. Ist sie sohin schon während der Durchführung der Bauleistung absehbar, dann trifft das Bauunternehmen die Verpflichtung, den Auftraggeber unverzüglich auf die voraussichtliche Kostenüberschreitung hinzuweisen, sofern diese beträchtlich ist. Das Gesetz definiert den Terminus „beträchtlich“ nicht.
Nach der Rechtsprechung ist eine Kostenüberschreitung beträchtlich, wenn sie sich im Bereich zwischen 10 und 15 % der Auftragssumme bewegt.
Unterlässt das Bauunternehmen die Anzeige der Kostenüberschreitung, dann verliert es den dem Kostenvoranschlag (Auftragsumme) übersteigenden Anspruch!
Folgende Details sind in diesem Zusammenhang von Interesse: Bei der Beurteilung ob eine Kostenüberschreitung vorliegt, kommt es nicht auf die Überschreitung einzelner Positionen des Kostenvoranschlages an, sondern einzig auf die Überschreitung der Auftragssumme. Auch wenn sich sohin eine Position des Leistungsverzeichnisses auf das fünffache erhöht ist dies so lange unschädlich, so lange die Auftragssumme um weniger als 10 % überschritten wird. Das Gesetz verlangt ausdrücklich, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber die voraussichtliche beträchtliche Überschreitung „unverzüglich“ anzuzeigen hat, widrigenfalls er jeden Anspruch in der Mehrarbeit verliert. Der Hinweis des Auftragnehmers muss überdies deutlich sein. So hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die bloße Mitteilung des AN, er könnte die geschätzten Kosten nicht einhalten, die Voraussetzungen der vom Gesetz geforderten Anzeige nicht erfüllt.
Der AN ist zudem verpflichtet, die Höhe des Überschreitungsbetrages ziffernmäßig bekannt zu geben.
Wenn dies nicht möglich ist, dann muss er zumindest darauf hinweisen, dass die Überschreitung beträchtlich sein wird. In einem solchen Fall ist er verpflichtet, einen Nachtragskostenvoranschlag (Nachtragsangebot) zu legen.
Kommt der AN seiner Verpflichtung, die drohende beträchtliche Kostenüberschreitung anzuzeigen, nach, dann ist der Auftraggeber berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Dem Auftragnehmer gebührt in diesem Fall nur die Abgeltung der bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen.
Strittig ist, ob dem AN in diesem Fall auch der Gewinn für das Gesamtwerk zusteht. In der Lehre wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass dem AN der Anspruch auf den Gewinn zusteht, wenn die Ursache der Überschreitung in der Sphäre des Auftraggebers liegt.
Was geschieht, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine drohende Kostenüberschreitung anzeigt, dieser aber in weiterer Folge nicht vom Vertrag zurücktritt? Bei einer derartigen Konstellation hat der Oberste Gerichtshof judiziert, dass der Auftraggeber die Mehrkosten stillschweigend genehmigt, wenn er nach einer ordnungsgemäßen Anzeige nicht vom Vertrag zurücktritt, sondern die Bauarbeiten fortführen lässt.
Die anwaltliche und gerichtliche Praxis zeigt, dass auftraggeberseitig immer häufiger der Einwand kommt, dass der AN die Überschreitung der Auftragssumme nicht angezeigt hat, weshalb er jeglichen Mehrkostenanspruch verliere. So unangenehm dieser Einwand für den AN auch ist und so streng die vom Gesetz vorgesehenen Konsequenzen im Fall der Unterlassung der Anzeige auch sind, so hat die Rechtsprechung dennoch für eine ganz bedeutende Fallkonstellation die Härte der gesetzlichen Reglung eingeschränkt.
Nach der Rechtsprechung ist nämlich die unverzügliche Anzeige einer Kostenüberschreitung dann entbehrlich, wenn die Kostenüberschreitung auf Umstände in der Bestellersphäre zurückzuführend ist.
Resultieren sohin Mehrkosten beispielsweise aus einer Verzögerung bei Erteilung der Baubewilligung, aus Erschwernissen, die auftraggeberseitig herrühren (z.B. der vom AN zur Brechung übernommene Gleisschotter ist durch Erdreich stark verunreinigt) oder aus Zusatzaufträgen des Auftraggebers, dann ist der Auftragnehmer zur Anzeige nicht verpflichtet. Wenn sohin im Falle einer Kostenüberschreitung auftraggeberseitig der Einwand kommt, dass dem Auftragnehmer die Mehrkosten im Verhältnis zur Auftragssumme nicht zustehen, dann ist der Auftragnehmer gut beraten, zu prüfen, in wieweit die Umstände, die zur Kostenüberschreitung geführt haben, aus der Sphäre des Auftraggebers stammen.
Praxistipp: Auch wenn Umstände aus der Sphäre des Auftraggebers vorliegen, die zu einer Kostenüberschreitung führen, ist der Auftragnehmer gut beraten, den Auftraggeber auf die drohende Kostenüberschreitung hinzuweisen. Auf diese Art und Weise erspart er sich nach Abrechnung der Leistung langwierige Diskussionen darüber, ob die Gründe für die Kostenüberschreitung aus der Sphäre des Auftraggebers herrühren.