Mitverschulden des auftraggebers
a3BAU Ausgabe 10/2014:
Der OGH hat jahrelang in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass dem Auftraggeber ein Fehlverhalten von Vorunternehmern, die Pläne, Gutachten und Planung beigestellt haben, gegenüber dem Auftragnehmer als Mitverschulden zugerechnet wird. Dieser Standpunkt der Rechtsprechung wurde zuletzt aufgeweicht.
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Zum Sachverhalt: Die Bauherrin war eine aus Bauunternehmen bestehende ARGE. Sie beauftragte die Auftragnehmerin (Bauführerin), ein Hochregallager auf Pfählen zu errichten. Die ARGE hatte von einer Baustatikfirma einen Plan erstellten lassen, der in weiterer Folge von einem Geotechniker frei gegeben worden ist. Dieser Plan sah vor, dass 282 Pfähle mit einem Durchmesser von 40 cm bis in eine Tiefe von 12 m eingeschlagen werden sollten. Das Einschlagen der Pfähle geschah in unmittelbarer Nähe zu einem anderen Hochregallager der ARGE.
Während der Bauausführung wurde nicht auf wesentliche Erschütterungen bei diesem Hochregallager geachtet. Setzungsmessungen und Erschütterungsmessungen wurden nicht für erforderlich erachtet.
Das Einsetzen der Pfähle führte zu Setzungen des unmittelbar benachbarten Hochregallagers, wodurch es zu einer Schiefstellung desselben kam. Die Versicherung der ARGE bezahlte den Schaden und klagte diesen in weiterer Folge bei der Auftragnehmerin (Bauführerin) ein.
Die klagende Versicherung stützte sich im Wesentlichen auf eine Warnpflichtverletzung der Auftragnehmerin. Diese hätte eine Untersuchung des Baugrundes sowie begleitende Kontrollmaßnahmen verlangen müssen.
Die Auftragnehmerin behauptete, es lediglich übernommen zu haben, den Bauauftrag nach den Vorgaben der sachverständig beratenen ARGE auszuführen. Sie erhob einen Mitverschuldenseinwand zu Lasten der ARGE. Hier interessiert hauptsächlich der Mitverschuldenseinwand der Auftragnehmerin: Wie eingangs erwähnt hat der OGH in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass sich der Auftraggeber ein Fehlverhalten von Vorunternehmen, die Pläne, Gutachten und Beratung bereit gestellt haben, zurechnen lassen müsse.
Dieses Mitverschulden des Auftraggebers wurde von der jüngeren Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass sich der Auftraggeber nicht jedes mitwirkende Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen müsse.
Ein Mitverschulden komme allerdings dann in Betracht, wenn der Auftraggeber Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat.
Was den konkreten Fall des Hochregallagers betraf, sei, so der OGH, maßgeblich, dass die ARGE dem ausführenden Unternehmen den Auftrag unter verbindlicher Festlegung der Herstellungsmethode erteilt hat. Die ARGE habe mit dieser Anweisung die Methodenauswahl und die Festlegung des Herstellungsprozesses zu ihrer Sache gemacht und damit eine Tätigkeit übernommen, die üblicherweise dem ausführenden Unternehmen zukommt. Damit habe die ARGE eine eigene vertragliche Mitwirkungspflicht übernommen (ungeachtet der Tatsache, dass sie zur Erstellung des Ausführungsplans Fachleute, nämlich einen Baustatiker und einen Geotechniker, beigezogen hat). Die ARGE habe Art und Umfang der Pfahleinbringung und die Örtlichkeit bindend festgelegt. Aus diesem Grund habe die ARGE für die von ihren Gehilfen verschuldete Fehlerhaftigkeit ihrer Anweisung einzustehen.
Wie ist der konkrete Fall ausgegangen?
Der OGH ist letztlich zwar der Argumentation der klagenden ARGE gefolgt, wonach das ausführende Unternehmen (Bauführerin) seine Prüf- und Warnpflicht verletzt habe. Er hat betont, dass die Prüf- und Warnpflicht selbst dann bestehe, wenn es der Auftraggeber übernommen hat, einen Sachverständigen beiziehen und die von diesem Sachverständigen ausgearbeitete Anweisung bzw. der beigestellte Bauplan fehlerhaft ist.
Der OGH hat letztlich ausgesprochen, dass die vom Auftraggeber zu verantwortenden Fehler den Auftragnehmer nicht vollständig entlasten konnten. Vielmehr gelangte der OGH zu einer Verschuldensteilung im Ausmaß von 2 : 1 zu Lasten des Auftragnehmers.
Fazit: Der OGH hat in der oben diskutierten Entscheidung zum wiederholten Male ausgesprochen, dass die Warnpflicht auch gegenüber dem sachkundigen beratenen Besteller besteht; also insbesondere auch dann, wenn sich der Auftraggeber etwaiger Sonderfachleute bedient, bleibt es bei der Warnpflicht des ausführenden Unternehmens. Treffen den Auftraggeber aber qualifizierte Mitwirkungspflichten, dann hat er ein Mitverschulden zu verantworten, wenn die von ihm beigezogenen Sonderfachleute unrichtige Anweisungen erteilen.
Generell gilt: Je stärker der Auftraggeber in die Ausführung durch Erteilung von Anweisungen eingreift, desto größer wird sein Mitverschulden, wenn sich die Anweisungen als unrichtig herausstellen.