FRISTGERECHT ABLIEFERN
a3BAU Ausgabe 11-12/2015:
Kaum ein Werklohnprozess, in dem nicht auch über die Abgeltung von Regieleistungen gestritten wird! Der Umgang der Baupraxis mit Nachweisen über die Erbringung von Regieleistungen ist ein tendenziell schlampiger.
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Der Oberste Gerichtshof hatte sich aktuell mit der Berechtigung einer Werklohnforderung aus angeblich erbrachten Regieleistungen auseinander zu setzen. Wie so häufig hatte das klagende Bauunternehmen während Ausführung der Leistungen dem Auftraggeber innerhalb der in Punkt 6.4.3 der ÖNORM B2110 genannten siebentägigen Frist keinerlei Regieaufzeichnungen übergeben.
Entsprechende Auflistungen, die das Bauunternehmen als „Regieberichte“ bezeichnet hat, wurden in weiterer Folge den Rechnungen beigelegt. Bei diesen Auflistungen handelt es sich jedoch nicht um vom Auftraggeber unterfertigte Regieberichte, sondern um bloße Leistungsaufstellungen. Der Auftraggeber hat sich in weiterer Folge zu diesen Leistungsaufstellungen nicht geäußert, auf den in Rechnung gestellten Werklohn allerdings nur einen Teilbetrag bezahlt.
Zwischen den Streitparteien wurde die Gültigkeit der ÖNORM B2110 vereinbart. Der hier maßgebliche Punkt 6.4.3 lautet wie folgt: Der Auftragnehmer (AN) hat über alle Regieleistungen tägliche Aufzeichnungen zu führen und diese innerhalb einer zu vereinbarenden Frist – bei Fehlen einer solchen binnen 7 Tagen – dem AG zur Bestätigung und Anerkennung der Art und des Ausmaßes zu übergeben.
Eine hier maßgebliche Bestimmung enthält ferner Punkt 8.2.3.3 der ÖNORM B2110. Der Wortlaut der Bestimmung lautet wie folgt: Aufmaße, die aus triftigen Gründen nur von einem der beiden Vertragspartner festgestellt wurden, sind dem anderen ehestens schriftlich mitzuteilen. Sie gelten als von diesem anerkannt, wenn er nicht innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt der Mitteilung schriftlich dagegen Einspruch erhoben hat. Dies gilt auch für Regiebestätigungen gemäß Punkt 6.4.3.
Die ÖNORM B2110 knüpft sohin an das Schweigen zu „Regiebestätigungen“ eine Genehmigungsfiktion! Auf diese Genehmigungsfiktion hat sich der Werkbesteller in der gegenständlichen Causa gestützt und daran die Berechtigung seiner Forderung aus behauptetermaßen erbrachten Regieleistungen geknüpft. Fraglich war im gegenständlichen Prozess, ob diese Genehmigungsfiktion auch für Regieaufzeichnungen gilt, die entgegen der Bestimmung des Punktes 6.4.3. nicht täglich erstellt wurden und dem AG nicht binnen einer Frist von sieben Tagen vorgelegt wurden.
Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes, dass die Genehmigungsfiktion des Punktes 8.2.3.3 der ÖNORM B2110 für die vom Bauunternehmen den Rechnungen beigelegten Leistungsaufstellungen nicht gelte. Der OGH bestätigte zwar, dass die ÖNORM B2110 keine bestimmte Form von Regiebestätigungen vorgibt und daher die Aufzeichnungen über Regieleistungen in jeder geeigneten Form vorgenommen werden können. Allerdings ziele die ÖNORM-Regelung darauf ab, ein hohes Maß an Aktualität der Aufzeichnungen zu gewährleisten, weil die Überprüfung des tatsächlichen Aufwands später nur mehr sehr schwer möglich sei.
Aus diesem Grund sei, so der OGH, eine durchgehende Dokumentation aus Beweisgründen unerlässlich.
Diese Aktualität sei bei den vom klagenden Bauunternehmen übergebenen „Regieberichten“ nicht gegeben.
Festzuhalten ist gemäß den Ausführungen des OGH sohin, dass die Genehmigungsfiktion, die die ÖNORM B2110 an das Unterlassen eines Widerspruchs gegen übermittelte Aufmaße und Regiebestätigungen knüpft, nur dann greift, wenn die Regieaufzeichnungen täglich geführt und innerhalb einer Frist von sieben Tagen dem AG übermittelt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Entfall der Genehmigungsfiktion nach der ÖNORM nicht bedeutet, dass damit dem AN kein Anspruch aus geleisteten Regieleistungen zukomme. Vielmehr hat der AN im Streitfall den Umfang der erbrachten Leistungen und deren jeweilige Beauftragung durch den AG auf andere Art und Weise zu beweisen. Das kann mühsam und schwierig sein.
Im vom OGH entschiedenen Fall konnte das der AN offenbar nicht. Das Elegante der Genehmigungsfiktion gemäß Punkt 8.2.3.3 der ÖNORM B2110 besteht darin, dass sie gleichsam zu einer Umkehr der Beweislast führt, in dem sie diese jenem Vertragspartner auferlegt, der sich verschwiegen hat. Werden demnach Aufzeichnungen über erbrachte Regieleistungen nicht fristgerecht dem AG übermittelt, dann ist der AN auf andere Beweismittel zum Nachweis der Leistungserbringung angewiesen. Die Beweislast für die erbrachten Leistungen obliegt dann ihm.