freifahrtsschein für den werkunternehmer ?
a3BAU Ausgabe 3-4/2016:
Der aktuelle baurechtliche Beitrag beschäftigt sich dieses Mal mit einer in der Baupraxis durchaus häufig vorkommenden Unterart des Werkvertrages, nämlich dem so genannten Regiepreisvertrag. Eine aktuelle Entscheidung des OGH zeigt, dass ein derartiger Vertrag dem Werkunternehmer keinen Persilschein für die Verrechnung unangemessener Arbeitsstunden in die Hand gibt.
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Der OGH hatte sich bereits in einer früheren, jedoch ebenfalls äußerst rezenten Entscheidung mit dem Wesen eines Regiepreisvertrages befasst. Dort hatte er ausgesprochen, dass beim Regiepreisvertrag die Verrechnung der Leistungen des Werkunternehmers nach Stundensätzen und eine Verrechnung der Spesen nach tatsächlichem Aufwand erfolge. Bei einem Regiepreisvertrag, so der OGH, haben die Parteien einen Werklohn nach tatsächlichem Aufwand („Regiepreis“) vereinbart.
Dabei werden Lohnkosten und Aufwand nach tatsächlichem Aufwand verrechnet und das Unternehmerrisiko in hohem Maß vom Werkunternehmer auf den Auftraggeber verlagert.
Je länger die Gehilfen der Werkunternehmerin (AN) bauchen, um das Werk zu vollbringen, desto höher wird der Werklohn. Eine Verrechnung nach Regiepreisen kommt laut OGH insbesondere dann in Betracht, wenn Art, Güte und Umfang der Leistung oder die Umstände, unter denen sie zu erbringen ist, nicht so genau erfasst werden können, dass die Vereinbarung eines Pauschal-, Einheits- oder eines Festpreises oder eines in einem Kostenvoranschlag festgelegten Preises möglich ist und daher nur nach dem tatsächlichen Stunden- und Materialaufwand abgerechnet werden kann.
Im gegenständlichen Fall hatte der AG beim AN Arbeiten an seinem Haus, insbesondere die Sanierung einer Terrasse, bestellt. Es wurde eine Verrechnung auf Regiebasis vereinbart. Der AN legte vier Teilrechnungen, von denen der AG nur die ersten beiden unbeanstandet bezahlte. Die Rechnungen vom 12.4.2011 und 20.4.2011 über insgesamt € 129.700,54 blieben offen. Für verbleibende Arbeiten erstellte der AN auf Wunsch des AG einen Kostenvoranschlag über € 19.080,--, den er seiner letzten Rechnung zugrunde legte. Auch diese Rechnung bezahlte der AG nicht.
Der AN hat in weiterer Folge die drei offenen Rechnungen klagsweise geltend gemacht. Der beklagte AG wandte im Wesentlichen dagegen ein, dass der AN eine deutlich unangemessen hohe Stundenanzahl verrechnet habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Als Begründung führte es aus, dass den Rechnungen des AN eine Regievereinbarung zugrunde liege; aus diesem Grund bestehe kein Raum für eine Prüfung der Angemessenheit der erbrachten Arbeitsstunden.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des AG Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes verlagere eine Regievereinbarung zwar das wirtschaftliche Risiko eines besonders hohen Aufwandes auf den AG. Der AN sei aber im Gegenzug verpflichtet, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung zu achten. Der Einwand der Unangemessenheit des Aufwandes sei daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen.
Der OGH gab dem dagegen erhobenen Rechtsmittels des AN keine Folge. Er wiederholte zunächst die bereits oben dargelegten Grundsätze über das Wesen eines Regiepreisvertrages. Darüber hinaus führte er aus, dass eine Regievereinbarung, mit der ein bestimmtes Entgelt pro tatsächlich aufgewendeter Arbeitsstunde festgelegt wurde, einer nachträglichen Angemessenheitsprüfung hinsichtlich des Zeitaufwandes nicht entgegen stehe.
Der Zeitaufwand liege nämlich, anders als die bedungenen Stundensätze, außerhalb der Regievereinbarung. Er führte weiters aus, dass für unsachliche oder unzweckmäßige Leistungen von vornherein kein Entgeltanspruch zustehe. Nur der tatsächlich zum Erreichen des Zieles erforderliche Einsatz werde von der Regievereinbarung umfasst.
Die gegenständliche höchstgerichtliche Entscheidung lehrt den Bauunternehmer daher, dass er auch bei einer Regiepreisvereinbarung nur jene aufgewendeten Stunden bezahlt bekommt, die zur Erstellung des beauftragten Werkes notwendig waren. Es ist davon auszugehen, dass der Bauunternehmer für die Angemessenheit der von ihm verrechneten Stunden beweispflichtig ist.
Der Bauunternehmer tut deshalb gut daran, den vom ihm abzuarbeitenden Leistungsumfang möglichst gut zu dokumentieren.
Zu einer ordnungsgemäßen Dokumentation gehören zunächst primär möglichst detailliert ausgefüllte Regiescheine, auf deren Abzeichnung durch den AG zu achten ist. Darüber hinaus empfiehlt es sich, den jeweiligen Leistungsfortschritt durch Lichtbilder oder Videos festzuhalten. Auch die verbaute Menge an Material ist ein Indiz für den Leistungsumfang, sodass auch Lieferscheine für das konkrete Gewerk vorgelegt werden können. Auf diese Art und Weise wird der im Werklohnprozess zu bestellende Sachverständige in die Lage versetzt, den Leistungsumfang bestmöglich nachzuvollziehen.