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Selten in Anspruch genommen

Sicherstellung bei Bauverträgen

a3BAU Ausgabe 11-12/2016: 

Anders als in Deutschland wird der Sicherstellungsanspruch des AN gemäß § 1170bABGB in Österreich von den Bauunternehmungen kaum in Anspruch genommen. Dies ist schwer nachvollziehbar, da er dem AN eine entsprechende Sicherheit für den vereinbarten Werklohn einräumt. 


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Erstpublikation in: a3BAU Ausgabe 11-12/2016
Sicherstellung bei Bauverträgen, Selten in Anspruch genommen erschien erstmalig in dem Magazin "a3BAU".
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Zusammengefasst räumt § 1170bABGB dem Auftragnehmer eines Bauwerkes, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teiles davon das Recht ein, für das noch ausstehende Entgelt eine entsprechende Sicherstellung zu verlangen. Wohlgemerkt: Es handelt sich dabei nicht um einen Anspruch, den die ÖNORM B2110 oder eine andere Norm einräumt: Nein, das Gesetz selbst gibt dem Bauunternehmer diesen Anspruch an die Hand. Es bedarf demnach keiner gesonderten Vereinbarung dieses Sicherstellungsanspruches. § 1170bABGB sieht überdies vor, dass der Sicherstellunganspruch des AN nicht abbedungen werden kann. Er stellt demnach zwingendes Recht dar.


Daraus folgt, dass jegliche Vereinbarung, durch die dieser Sicherstellunganspruch des AN eingeschränkt oder beschränkt wird, unwirksam ist.


In der Praxis häufen sich dem gegenüber allgemeine Vertragsbedingungen (AVB) der Auftraggeber, die gleichsam eine Bestrafung des AN vorsehen, sollte es dieser wagen, von dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht Gebrauch zu machen.

 

So ist in AVB neuerdings etwa zu lesen, dass für den Fall der Sicherstellung durch eine Bankgarantie als vereinbart gilt, dass diese nur dann in Anspruch genommen werden dürfe, wenn ein vom AG unterfertigtes Abnahmeprotokoll, Anerkenntnis oder ein rechtskräftiges Urteil über die besicherte Leistung zugunsten des AN vorliegt oder über das Vermögen des AG ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Darüber hinaus sehen AVB häufig vor, dass der AN gleichzeitig mit dem schriftlichen Verlangen auf Leistung der Sicherstellung gemäß § 1170bABGB dem AG eine Erfüllungsgarantie in Höhe von 20 Prozent des vereinbarten Preises zu übermitteln habe. Soweit ersichtlich, existiert zu derartigen AVB bis dato keine Rechtsprechung, sodass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob Klauseln wie oben beschrieben wirksam sind. Sie führen allerdings in aller Regel zur Einschränkung oder Beschränkung des dem AN gesetzlich eingeräumten Sicherstellungsrechtes, sodass – je nach „Intensität“ derartiger Klauseln – von der Unwirksamkeit auszugehen ist. Dennoch wird Auftragnehmern, die mit derartigen Klauseln konfrontiert werden angeraten, sie von vornherein nicht zu akzeptieren.

 

Die Höhe der Sicherstellung beträgt im Regelfall maximal 20 Prozent des vereinbarten bzw. ausstehenden Entgelts. Unterschreitet allerdings das noch ausstehende Entgelt die 20%-Grenze, dann reduziert sich die Höhe der zustehenden Sicherstellung eben auf den Betrag des noch ausstehenden Entgelts. In der Literatur wird zudem vertreten, dass beauftragte Nachträge, beauftragte Regieleistungen oder Zusatzleistungen bei der Bemessung des vereinbarten Entgelts entsprechend zu berücksichtigen sind.

 

Diese Rechtsansicht resultiert daraus, dass § 1170bABGB nach seinem Wortlaut nicht danach differenziert, ob sich das vereinbarte Entgelt aus einer ursprünglichen Beauftragung oder aus nachträglichen Zusatzaufträgen ergibt. In zeitlicher Hinsicht kann die Sicherstellung vom AN ab Vertragsabschluss bis zum Ende der Leistungsfrist begehrt werden. Als Sicherstellungsmittel nennt das Gesetz neben Bargeld und Bareinlagen Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen.

 

Leider hat es der Gesetzgeber unterlassen, eine starre Frist vorzusehen, innerhalb derer der AG die Sicherstellung zu leisten hat. Vielmehr überlässt es § 1170b ABGB dem AN in seinem Abruf auf Leistung der Sicherstellung eine angemessene Frist zu nennen. In der Literatur wird überwiegend eine 14-tägige Frist als Mindestzeitraum angesehen. Was passiert, wenn der AG die begehrte Sicherstellung nicht erbringt? Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kann der AN in einem solchen Fall seine Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Dies bedeutet, dass der AN in einem solchen Fall das Recht hat, den Beginn der Bauarbeiten oder deren Fortführung zu verweigern. Aus der berechtigten Leistungsverweigerung folgt, dass dem AN in diesem Fall die daraus resultierenden Mehrkosten, wie z.B. Stillstandskosten, Rüstkosten oder die Baustelleneinrichtung, zustehen.

Neben der Baueinstellung steht dem AN das Recht zu, unter Setzung einer weiteren angemessenen Nachfrist, die Vertragsaufhebung zu erklären.

 

Wenngleich sich das Gesetz auch hiezu nicht im Detail erklärt, wird bei der Nachfrist wohl eine kürzere Frist als bei der ursprünglichen Aufforderung ausreichend sein. Da § 1170b ABGB im Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung auf § 1168 Abs 2 ABGB verweist, steht dem AN ein Entgeltsanspruch wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu, sohin gebührt ihm das Gesamtentgelt abzüglich dessen, was er sich durch das Unterbleiben erspart hat. In der Regel wird dies also in Bezug auf den nicht ausgeführten Vertragsumfang der entgangene Gewinn sein.