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ÖNORM B 2110 als Maßstrab für die Sittenwidrigkeit?

Führt man sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vieler Ausschreibungen zu Gemüt, dann erhebt sich häufig die Frage nach der Sittenwidrigkeit der einen oder anderen Regelung. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von AGB ist äußerst einzelfallbezogen. Allerdings könnte eine Entscheidung des OGH eine Hilfestellung bieten.


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ÖNORM B2110, Maßstab für die Sittenwidri
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Die Entscheidung des OGH, in der er sich mit der Sittenwidrigkeit einer Regelung in den AGB des Bauherrn beschäftigte, ist schon einige Jahre alt. Sie könnte aber entscheidend bei der Frage weiterhelfen, unter welchen Voraussetzungen eine Regelung in AGB sittenwidrig ist.

 

In concreto ging es um eine Bestimmung im Zusammenhang mit Schäden auf einer Baustelle. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die ÖNORM B 2110 für derartige Schäden eine einschlägige Regelung enthielt. Diese ÖNORM-Regelung wurde zu Lasten der Professionisten abgeändert.

 

Die Regelung sah vor, dass für Schäden jedweder Arbeitsleistungen und Lieferungen, deren Urheber nicht feststellbar ist, die Kosten der Wiederherstellung auf alle auf der Baustelle beschäftigten Firmen im Verhältnis der Schlussrechnungssumme zu den Gesamtherstellungskosten aufgeteilt wird. Im Laufe der Bauausführung kam es auf der Baustelle zu einem Brand, der an bereits errichteten Gewerken erheblichen Schaden anrichtete. Auftraggeberin im gegenständlichen Fall war eine Stadtgemeinde. Auf Basis der oben dargestellten vertraglichen Regelung verlangte die Gemeinde vom klagenden Professionisten eine finanzielle Beteiligung an der Schadensbehebung und zog sich diese Beteiligung von der Schlussrechnungssumme ab. Der Professionist klagte daraufhin den Abzugsbetrag ein.

 

Knackpunkt im abgeführten Verfahren war die Frage, ob die oben dargestellte Klausel in den AGB der Stadtgemeinde eine gröbliche Benachteiligung des Auftragnehmers mit sich brachte. Auszugehen ist zunächst davon, dass die Streitteile im Vertragswerk die Anwendung der ÖNORM B 2110 schriftlich vereinbart haben.

 

Gemäß Punkt 2.22 der ÖNORM B 2110 sollten die Auftragnehmer für die in der Zeit ihrer Tätigkeit am Erfüllungsort entstandenen Beschädigungen an übernommenen und nicht übernommenen Leistungen anteilsmäßig im Verhältnis ihrer ursprünglichen Auftragssummen und je bis zu einem (Höchst)Betrag von 0,5 % der ursprünglichen Auftragssumme haften. Die ÖNORM-Regelung sah allerdings vor, dass dem haftpflichtigen Auftragnehmer die Möglichkeit offenstand zu beweisen, dass die Beschädigung nicht durch ihn verursacht worden sein konnte.


Zur Beurteilung der Frage, ob die Regelung in den AGB der Stadtgemeinde sittenwidrig war, orientierte sich der OGH an der ÖNORM-Regelung.

 


Der OGH arbeitete heraus, dass die Bestimmung in den AGB in wesentlichen Punkten von der ÖNORM-Regelung abwich:

 

Zum einen sei gemäß der AGB-Regelung die Haftung des einzelnen Auftragnehmers unbegrenzt, während die ÖNORM-Regelung eine Begrenzung in Höhe von 0,5 % der Auftragssumme vorsähe. Darüber hinaus sollten nach der AGB-Regelung alle jemals an der Baustelle beschäftigten Auftragnehmer haften, und zwar auch jene, deren Leistungen zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes bereits abgenommen waren. Schließlich stünde nach der AGB-Regelung dem Auftragnehmer der Freibeweis nicht offen; er sollte demnach auch dann haften, wenn der den Schaden gar nicht verursacht haben konnte. Im abgeführten Beweisverfahren vor den Unterinstanzen war hervorgekommen, dass zum Zeitpunkt des Brandschadens der klagende Professionist längst nicht mehr auf der Baustelle anwesend war.

 

Der OGH betonte das zweifellos bestehende Interesse des Auftraggebers an der Erleichterung des Ersatzes von Schäden, deren Urheber nicht feststellbar ist.

 

Diesem Interesse werde aber voll und ganz durch die in der ÖNORM B 2110 geregelte Schadenstragung mehrerer Auftragnehmer Rechnung getragen. Die eklatante Schlechterstellung des Auftragnehmers im Verhältnis zur gesetzlichen und zur ÖNORM-Regelung führe jedoch nach Ansicht des OGH zu einer gröblichen Benachteiligung des Auftragnehmers.

 

Der Klage des Professionisten wurde deshalb rechtskräftig Folge gegeben und die AGB-Regelung als sittenwidrig beurteilt.

 

Interessant an der Entscheidung ist der Umstand, dass der OGH für die von ihm bejahte Sittenwidrigkeit insbesondere die ÖNORM B 2110 als Beurteilungsmaßstab heranzieht.

 

Sollte der eine oder andere Auftragnehmer hinkünftig den Verdacht der Sittenwidrigkeit einer Regelung in den AGB seines Auftraggebers haben, dann lohnt sich möglicherweise ein Blick in die einschlägige Regelung der ÖNORM B 2110. Sollte die AGB-Regelung gravierend von der ÖNORM-Regelung abweichen, dann könnte dies ein Indiz für die Sittenwidrigkeit der Regelung sein.